RVS 10.02.13 "Value Engineering für Infrastrukturbauten"

Value Engineering
Value Engineering (VEng) wird seit einigen Jahren auf vielen Baustellen angewendet. Erstmals definiert wurde der Begriff VEng mit der ÖNORM B 2118 aus dem Jahr 2006 als „Verfahren zur Behandlung alternativer Ausführungsvorschläge des AN nach Vertragsabschluss“. Die Erfahrung zeigt, dass VEng bei unterschiedlichen Bauprojekten unterschiedlich verstanden und gehandhabt wird. Unterschiedliches Verständnis betrifft vor allem die Einstufung eines VEng, die faire Abwicklung, die Risikotragung und die Bewertung der Höhe nach. Aus dieser Situation heraus wurde von allen Betroffenen die Notwendigkeit gesehen, diese Situation zu analysieren und ein entsprechendes Merkblatt zu erarbeiten. Auch die Ergebnisse aus den Workshops der Uni Innsbruck und dem Dialog  VIBÖ-ASFINAG flossen hier ein.

Die Startsitzung fand am 17.12.2014 statt, nach 11 Sitzungen konnte dieses im Konsens unter reger Beteiligung von Vertretern der Auftraggeber, Auftragnehmer, Planer, Juristen und Universitäten erarbeitete Merkblatt am 19.4.2016 im Arbeitsausschuss abgeschlossen werden.

Mit VEng werden Vorschläge zur technischen und wirtschaftlichen Projektoptimierung, die im Bauvertrag nicht vorgesehen sind, in der Zeit von der Auftragserteilung bis zur Projektübergabe, erarbeitet und umgesetzt. Dieser alternative Ausführungsvorschlag erfordert die Initiative des Auftragnehmers und das engagierte Mitwirken aller am Projekt Beteiligten.

Als wesentliche Voraussetzung ist die Schaffung von „Mehrwert“, also die Verbesserung der Kosten-Nutzen-Relation des Bauprojektes, zu sehen. Weiters darf der VEng-Vorschlag im vertraglichen Leistungsumfang nicht vorgesehen sein und die Ausführung des Auftrages muss auch ohne VEng-Vorschlag möglich sein. Der Auslöser ist in der Regel keine „Störung der Leistungserbringung“, bei einer „Störung der Leistungserbringung“ ist erforderlichenfalls der Bauvertrag vorweg fortzuschreiben.

Die Umsetzung eines VEng-Vorschlages setzt das Einvernehmen der Vertragspartner hinsichtlich der technischen und wirtschaftlichen Lösungen sowie der finanziellen Auswirkungen voraus. Auch bei einem positiv erscheinenden Vorschlag gibt es dem Grunde nach keinen Anspruch auf die Umsetzung eines VEng-Vorschlages.
Wird vom Auftragnehmer ein VEng-Vorschlag eingereicht, der die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, kann dieser im Sinne einer fairen Abwicklung vom Auftraggeber nicht als Leistungsänderung angeordnet werden.

Das Einvernehmen zwischen den Vertragspartnern und allen Projektbeteiligten ist die Basis für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Verfahrens.

Die erforderlichen Schritte zur erfolgreichen Umsetzung sind im Ablaufdiagramm dargestellt.

 

Bei Erarbeitung eines VEng-Vorschlages sind alle möglichen Einflussfaktoren auf Kosten und Nutzen anzuführen und auch hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkungen darzustellen. Besonders die vom VEng betroffenen Risikoänderungen bzw. -verschiebungen sind einvernehmlich zu bewerten und zu berücksichtigen. Grundsätzlich übernimmt der AN die mit dem VEng verbundenen geänderten Risiken, Basis bleibt jedoch die im Bauvertrag vereinbarte Risikoteilung. In Fällen, in denen vorweg zu klären ist, welcher der Vertragspartner mit den Risiken besser umgehen kann, bzw. diese besser gestalten kann, sind entsprechende Regelungen zu vereinbaren. Die Preise werden auf Basis des Vertrages und dessen Preiskomponenten abgeleitet. Sollte dies nicht möglich sein, werden neue Preise einvernehmlich festgelegt. Wichtig ist auch die klare Regelung zur Kostentragung. Sollte der VEng-Vorschlag vor Annahme durch den Auftraggeber (Schritt 3 Fließdiagramm) nicht realisierbar sein, übernimmt jeder der beiden Partner seine Kosten selbst. Für die weiteren Schritte ist vorweg eine Kostentragung für den Fall der Ablehnung zu vereinbaren. Bei einer positiven Entscheidung durch den Auftraggeber wird unter Berücksichtigung aller Kostenfaktoren und Aspekte der monetarisierte Mehrwert ermittelt und in gleichen Teilen zwischen AG und AN nach dem Schlüssel 50 %/50 % geteilt.

Die erfolgreiche Anwendung und Umsetzung dieses Merkblattes bringt allen Beteiligten einen „Mehrwert“. Zusätzlich zu den technisch-wirtschaftlichen Projektoptimierungen wird auch die Motivation aller am Projekt Beteiligten erhöht und die Ziele des ÖBV-Merkblattes „Kooperative Projektabwicklung“ werden unterstützt. Die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit wird damit langfristig zusätzlich verbessert.

Es ist auch für dieses Merkblatt vorgesehen, die Erfahrungen aus der Umsetzung im Rahmen dieses Arbeitsausschusses auszutauschen und bei Bedarf das Merkblatt weiterzuentwickeln.